Eine Steuerberatungs-GmbH konnte im Jahr 2022 eine Klage oder Revision bei einem Finanzgericht bzw. dem Bundesfinanzhof (BFH) noch in Schriftform oder per Telefax wirksam erheben. Sie war – anders als ein Rechtsanwalt – nicht verpflichtet, den Schriftsatz als elektronisches Dokument einzureichen. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerberatungs-GmbH durch einen Geschäftsführer, der Rechtsanwalt und Steuerberater ist, vertreten wurde.
Hintergrund: Seit dem 1.1.2022 müssen Rechtsanwälte Klagen und Anträge und sonstige Schriftsätze bei einem Finanzgericht oder BFH als elektronisches Dokument übermitteln. Hierzu müssen sie das sog. besondere elektronische Anwaltspostfach, das sog. beA, verwenden.
Sachverhalt: Der Kläger klagte zunächst beim Finanzgericht und wurde dort durch die X-Steuerberatungs-GmbH vertreten, deren Geschäftsführer der Steuerberater und Rechtsanwalt A war. Im Klageverfahren trat für den Kläger der bei der X-Steuerberatungsgesellschaft angestellte Rechtsanwalt B auf, in dessen beA auch die Ladung zum Termin beim FG übermittelt wurde und der über sein beA auch die Übermittlung des klageabweisenden Urteils mittels elektronischen Empfangsbekenntnisses bestätigte. Gegen dieses Urteil erhob die X-Steuerberatungs-GmbH namens des Klägers per Telefax im Frühjahr 2022 Revision beim BFH. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Einlegung der Revision unwirksam gewesen sei, weil sie per Telefax eingelegt und nicht über das beA elektronisch übermittelt worden sei.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) bestätigte in einem sog. Zwischenurteil die Zulässigkeit der Klage:
- Die Revisionsfrist begann mit der Zustellung des Urteils an die X-Steuerberatungs-GmbH. Der bei der X-Steuerberatungs-GmbH angestellte Rechtsanwalt B war aufgrund einer Anscheinsvollmacht berechtigt, die Zustellung des Urteils per beA entgegenzunehmen. Eine Anscheinsvollmacht ist zu bejahen, weil der B bereits im Klageverfahren für die X-Steuerberatungs-GmbH aufgetreten war und weil er zuvor die Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung per elektronischem Empfangsbekenntnis bestätigt hatte.
- Die X-Steuerberatungs-GmbH konnte die Revision im Jahr 2022 noch per Telefax wirksam einlegen. Denn für Steuerberatungsgesellschaften bestand ebenso wie für Steuerberater noch keine Pflicht, Revisionen als elektronisches Dokument zu übermitteln.
- Diese Pflicht zur elektronischen Übermittlung bestand auch nicht deshalb, weil der Geschäftsführer der X-Steuerberatungs-GmbH nicht nur Steuerberater, sondern auch Rechtsanwalt war und daher über ein eigenes beA verfügte. Zwar müssen Rechtsanwälte seit dem 1.1.2022 mit den Gerichten elektronisch über ihr beA kommunizieren; dies gilt aber nur dann, wenn sie unter ihrer Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“ auftreten oder wenn es sich um eine sog. gemischte Berufsausübungsgesellschaft handelt, die aus Rechtsanwälten und Steuerberatern besteht und die über die Steuerberatung hinaus auch Rechtsberatung betreibt. Diese Voraussetzungen lagen bei der X-Steuerberatungs-GmbH, die ausschließlich steuerberatend tätig war, nicht vor.
Hinweise: Wäre der A, der Geschäftsführer der X-Steuerberatungs-GmbH, selbst gegenüber dem BFH als Rechtsanwalt und Steuerberater aufgetreten, hätte er die Revision elektronisch mittels beA übermitteln müssen. Die von ihm vertretene X-Steuerberatungs-GmbH wird hierdurch jedoch nicht verpflichtet, elektronisch zu übermitteln.
Anders wird dies voraussichtlich ab 1.1.2023 sein. Denn dann soll den Steuerberatern und Steuerberatungsgesellschaften das sog. besondere elektronische Steuerpostfach (sog. beSt) zur Verfügung gestellt werden, das dann auch benutzungspflichtig ist. Ob diese Bereitstellung des beSt zum 1.1.2023 funktioniert hat, bleibt abzuwarten.
Der BFH hat mit dem Zwischenurteil nur über die Zulässigkeit der Revision entschieden und diese bejaht. Über die eigentliche Streitfrage, die die Besteuerung der Veräußerung von sog. Kryptowährungen betrifft, wird der BFH erst im abschließenden Urteil entscheiden.
Quelle: BFH, Zwischenurteil v. 25.10.2022 – IX R 3/22; NWB